Seelisches Wohlbefinden

Die Diagnose einer Krankheit ist zweifellos ein einschneidendes Lebensereignis. Sie stellt oftmals die Identität der Betroffenen in Frage. Die Bewältigungsmuster, die sich im bisherigen beruflichen und privaten Alltag bewährt haben, sind nun in dem neuen medizinischen Umfeld, das mit einem Gefühl der Hilflosigkeit und des Ausgeliefertseins einhergeht, oftmals nicht abrufbar oder nützlich.

 

Dies betrifft auf eine vergleichbare Art auch Eltern erkrankter Kinder. Auch sie müssen sich neu orientieren, sich mit der Identität der Elternschaft eines kranken Kindes auseinandersetzen und einen Weg finden, die Krankheit in das Familienleben zu integrieren. Zusätzlich müssen Eltern auf das seelische Wohlbefinden Ihrer Kinder achten. Kinder haben anders als Erwachsene bis zu einem gewissen Zeitpunkt nicht das Bewusstsein für die Bedeutung einer schweren Erkrankung, sie können jedoch durch Krankenhausaufenthalte, das Erleben starker Symptome der Erkrankung, Behandlungen oder auch durch die oft mit Aplastischer Anämie einhergehende Isolation Verhaltensstörungen entwickeln, die auf seelische Belastungen hindeuten und die nicht übergangen werden sollten.

 

Jede Phase und Veränderung der Krankheit erfordert neue Orientierung und Anpassung, die es sich zu erarbeiten gilt. Wie geht man damit um, wenn man plötzlich eine Diagnose erhält, von der man noch nie gehört hat und die nicht einzuordnen ist? Wie geht man damit um, wenn man sich bereits im Leben mit der Krankheit eingerichtet hat und dann eine weitere Diagnose erhält oder eine Verschlimmerung eintritt? Und was bedeutet für mich als Patient konkret, dass meine Krankheit als „selten“ klassifiziert wird?

 

Wie kann man sich hilfreiche Strategien erarbeiten und was tut mir gut? Stimmt es, dass man einfach positiv bleiben sollte? Wie geht man damit um, wenn man "einfach nicht mehr kann"?

 

Ein Leben mit der Krankheit ist für viele Betroffene sehr gut möglich. Auch Sie werden Ihren Weg damit finden. Dabei möchten wir Sie unterstützen.

Belastungen durch schwerwiegende Erkrankungen

 

Die Belastungen durch eine Erkrankung können vielfältig sein und auf unterschiedlichen Ebenen stattfinden.

 

Körperlich: Der Umgang mit Schmerzen, Nebenwirkungen von Medikamenten, Erschöpfung, Müdigkeit, körperlichen Veränderungen und häufigen Infekten.

 

Psychisch: Starke Gefühle der Angst und der Trauer wechseln sich typischerweise mit Wut ab und lassen Betroffene an sich zweifeln. Diese Gefühle sind ganz normal.

 

Sozial: Plötzlich aus dem gewohnten Umfeld rauszufallen, Freunde und Arbeitskollegen vielleicht mit etwas konfrontieren zu müssen, was man selbst noch nicht versteht, sowie

 

die eigene Definition der Patientenrolle im Gesundheitssystem oder Sozialsystem und auch der Umgang mit dem eigenen Hilfebedarf. Wie kommuniziere ich mein neues „Ich“ mit seinen neuen Bedürfnissen meinen Mitmenschen gegenüber vor dem Hintergrund einer Erkrankung, die nur schwer zu vermitteln ist.

 

Der Umgang mit den Belastungen der Krankheit hängt sowohl von äußeren als auch von inneren Faktoren ab, wie

 

...der Diagnose: Risiken und Prognosen, die mit der Diagnose einhergehen sowie die gesellschaftliche Bewertung der Erkrankung. Da sowohl Aplastische Anämie als auch PNH seltene Erkrankungen sind, können die meisten Menschen ihre Bedeutung und ihr Ausmaß nicht einordnen, so dass Betroffene oft wenig Mitgefühl erfahren.

 

...den Symptomen: Subjektives Leidempfinden über die Auswirkungen der Krankheiten, das variieren kann.

 

...den bisherigen Lebens- bzw. Krisenerfahrungen: Subjektives Gefühlserleben. Ein Patient kann dieselbe Prognose als weniger bedrohlich oder ein Symptom als weniger einschränkend erleben als ein anderer.

 

...dem Alter: Je jünger, desto schwieriger die Kommunikation mit den Gleichaltrigen und desto größer möglicherweise die Zukunftsangst z. B. wenn man Kinder hat und nicht erwerbsfähig ist. Je älter man wird, desto größer ist das Verständnis für Krankheit. Aber je höher das Alter ist, desto schwieriger ist unter Umständen auch die Behandlung.

 

...dem sozialen Umfeld: Die Größe und Stabilität des sozialen Umfelds. Je größer und stabiler das soziale Umfeld, desto besser „verteilen“ sich Belastungen.

Krankheitsbewältigung

 

Krankheitsbewältigung ist ein Prozess, der fortwährend im gesamten Verlauf der Krankheit mehr oder weniger aktiv geschieht und anstrengend sein kann. Es geht dabei darum, Belastungen zu verringern, sie auszugleichen und zu verarbeiten. Dinge, die man selbst nicht ändern kann, kann man versuchen, zu ertragen und ins Leben zu integrieren. Ziel ist es, eine neue emotionale Stabilität zu erlangen.

 

Wie sieht das konkret aus?

 

Krankheitsbewältigung kann Verhalten des/der Betroffenen sein, wie

  • Spricht der/die Betroffene über seine/ihre Erkrankung oder eher nicht?
  • Sucht er/sie aktiv nach Informationen oder lieber nicht?
  • Hat er/sie Hobbys, aus denen er Kraft schöpfen und mithilfe deren Ausübung er/sie sich ablenken kann?
  • Versucht er/sie sich (bewusst) zu entspannen?

 Krankheitsbewältigung kann auch im Denken und Fühlen stattfinden, wie

  • Die subjektive Bewertung bestimmter Situationen - schafft der/die Betroffene es, Situationen zu relativieren oder sie mit Humor zu nehmen?
  • Nimmt der/die Betroffene die eigenen Gefühle wahr und kann entsprechend für sich sorgen?

Dabei ist kein Verhalten und kein Gedanke richtig oder falsch. Jeder Mensch sollte versuchen, seinen individuellen Weg mit der Krankheit zu finden.

 

Lassen Sie sich vor allem nicht einreden, Sie müssten ausschließlich positiv denken. Das mag ein gutgemeinter Ratschlag sein, der in Wirklichkeit oft eher die Hilflosigkeit Ihres Gegenübers im Umgang mit der Krankheit zum Ausdruck bringt. Und auch wenn Medien gerne von Menschen berichten, die nur durch Willen und Kampfgeist ihre Krankheit besiegt haben, sollten Sie sich nicht unter Druck setzen lassen. Denn in wissenschaftlicher Hinsicht gibt es weder für „positives Denken“ noch für eine besonders kämpferische Einstellung Hinweise auf einen positiven Einfluss auf den Krankheitsverlauf. [1] Die indirekte Mitverantwortung bei der Entstehung und dem Verlauf der Krankheit, welche Betroffenen durch den Appell, positiv zu denken, unterstellt wird, kann Schuldgefühle und Druck aufbauen. Das bedeutet natürlich nicht, dass Sie nicht gut auf sich achten sollten, sich gesund ernähren sollten, sich an der frischen Luft bewegen sollten und Rauchen und Alkohol meiden sollten.

Strategien

 

Es konnte jedoch in Studien gezeigt werden, dass eine aktive Haltung zum eigenen Wohlbefinden beitragen und helfen kann, dass Betroffene sich weniger ausgeliefert fühlen. Denn so machen sie die Erfahrung, selber etwas tun zu können. Das muss nicht viel sein. Aktivität Ihrerseits kann hierbei folgendermaßen aussehen:

  • Sie können sich über die Krankheit informieren
  • Sie können sich fragen, was Ihnen selbst gut tut
  • Sie können selber dazu beitragen, dass Sie das bekommen, was Ihnen gut tut
  • Sie können darauf achten selbstfürsorglicher mit sich umzugehen – eine Anregung dazu finden Sie HIER.
  • Sie können sich mit Gleichgesinnten austauschen (vielleicht im Rahmen eines Austauschs mit anderen Betroffenen in unserem Forum, durch die Vermittlung eines direkten Kontakts über die Stiftung Lichterzellen oder in einer der Selbsthilfegruppen des Aplastische Anämie & PNH e.V.)
  • Sie können sich mit Gesundheitsthemen befassen (z. B. Entspannungstechniken erlernen oder sich mit dem Thema „gesunder Ernährung“ befassen)
  • Sie können sich auf Arzttermine vorzubereiten
  • Sie können sich Dinge von der Seele sprechen / schreiben
  • Sie können sich für ihre Krankheit engagieren oder sich bei einer Organisation einbringen

Wenn Sie nach einigen Jahren feststellen, sich nach wie vor wenig kompetent im Umgang mit der Krankheit fühlen und unter Angstzuständen o. ä. leiden, gibt es spezielle Psychologen, sogenannte Psychoonkologen, die Sie in diesem Prozess unterstützen können. Auch wenn Sie sich von Trauer oder Verzweiflung überwältigt fühlen und länger als zwei Wochen in derartigen Gefühlen „steckenbleiben“, bitten Sie Ihren Arzt oder auch das Pflegepersonal um Hilfe oder wenden Sie sich an uns von der Stiftung lichterzellen. Wir helfen Ihnen gerne, jemanden in Ihrer Nähe zu finden, der Sie professionell unterstützen kann.

 

Ansprechpartner in Ihrer Nähe finden Sie über den Krebsinformationsdienst.

 

Auch wenn Sie als betroffene Eltern Veränderungen an Ihrem erkrankten Kind feststellen, die Sie verunsichern und mit denen Sie sich überfordert fühlen, wenden Sie sich an Ihre behandelnde Klinik und fragen Sie nach Unterstützungsangeboten. Auch im pädiatrischen Umfeld gibt es speziell geschulte, sogenannte pädiatrische Psychoonkologen.

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