Therapie und Behandlungsmöglichkeiten der Aplastischen Anämie nach den Leitlinien der DGHO

Die Wahl der Behandlung als Erstlinien- und Zweitlinientherapie Ist abhängig von der Schwere der Erkrankung, dem Alter der Patienten und ob ein verwandter oder unverwandter passender Stammzellspender zur Verfügung steht.

Eine Therapie muss immer nur dann durchgeführt werden, wenn eine Gefährdung durch die Erkrankung gegeben ist:

  • Immer bei dem Zustand einer schweren und einer sehr schweren Aplastischen Anämie (SAA/sSAA) nach Definition
  • Bei einer nSAA (nicht schweren oder moderaten Aplastischen Anämie) bei der Patienten regelmäßig auf Bluttransfusionen angewiesen sind, oder durch Infekte oder Blutungen gefährdet sind
  • In anderen Einzelfällen unter Berücksichtigung des Krankheitsverlaufs
  • Übergang einer nSAA in eine SAA/sSAA

Kriterien zur Einteilung der Aplastischen Anämie (zwei von drei Kriterien müssen zur Diagnosestellung erfüllt sein)

     Neutrophile Granulozyten    Thrombozyten    Retikulozyten
  NSAA – nicht schwere oder moderate Aplastische Anämie    < 1,2 G/l    < 70 G/l    < 60 G/l
  SAA – schwere Aplastische Anämie    < 0,5 G/l    < 20 G/l    < 60 G/l
   vSAA – sehr schwere Aplastische Anämie    < 0,2 G/l*    < 20 G/l    < 60 G/l

* für die Klassifikation als vSAA muss der Granulozytengrenzwert zwingend erfüllt sein.

 

Unterstützende Therapie
Die Überlebenswahrscheinlichkeit bei Aplastischer Anämie ist in den letzten 30 Jahren kontinuierlich verbessert worden. Dies gilt nicht nur für Patienten, deren Knochenmark sich durch die Therapie vollständig erholt, sondern auch für Patienten, die nicht oder nur teilweise ansprechen. Die unterstützende Therapie besteht bei Bedarf aus Infektionsvorbeugung, und -therapie, Blutungsvorbeugung, zurückhaltendem Transfusionsvorgehen, sowie der Chelattherapie bei Eisenüberladung.

 

Stammzell- bzw. Knochenmarktransplantation 

Von einem vorhandenen HLA-identischen Geschwisterspender:
Eine Stammzell- bzw. Knochenmarktransplantation von einem HLA-identischen Geschwisterspender ist bei Patienten mit SAA und vSAA unter 50 Jahren als Erstlinientherapie angezeigt. Bei vSAA kommt unter Berücksichtigung der gesamten körperlichen Situation auch noch über 50 Jahren eine Transplantation in Betracht. Als Zweitlinientherapie kommt sie bei Patienten mit SAA oder vSAA nach Versagen mindestens einer immunsuppressiven Kombinationstherapie (z.B. ATG, Ciclosporin und Eltrombopag) in Frage.
Von einem unverwandten Spender:
Eine Stammzell- bzw. Knochenmarktransplantation von einem unverwandten Spender ist als Erstlinientherapie umstritten. Die Bedrohung der Krankheit wird abgewogen mit den Risiken durch Therapiekomplikationen.
Als Zweitlinientherapie kommt die Transplantation nach Versagen mindestens einer immunsuppressiven Therapie mit Pferde-ATG, Ciclosporin und Eltrombopag bei Patienten ohne passenden Geschwisterspender in Frage, die bis 40 Jahre alt sind, bzw. evtl. auch bei Patienten über 40 Jahre, wenn der Allgemeinzustand gut ist. Bei Patienten, die aufgrund von Alter, Allgemeinzustand und Schweregrad der Erkrankung für eine unverwandte Transplantation als Zweitlinientherapie in Frage kommen, soll die Suche nach einem Spender bald nach Diagnosestellung eingeleitet werden.

  • Die Vorbereitung (Konditionierung) auf die Transplantation besteht grundsätzlich aus der Behandlung mit verschiedenen Medikamenten, die das Immunsystem des Empfängers so unterdrücken, dass fremdes Knochenmark (oder fremde Stammzellen) anwachsen kann/können. Auch nach der Transplantation werden Medikamente gegeben, die die Reaktion der Spenderzellen gegen Empfängerorgane (GvHD) unterdrücken sollen. Im Unterschied zu Organtransplantationen müssen diese Medikamente nicht lebenslang genommen werden.
  • Faktoren für das Überleben nach Transplantation sind Alter, Allgemeinzustand, Zeitraum zwischen Diagnose und Transplantation sowie Stammzellquelle.
  • Erhaltung der Fruchtbarkeit: Bei allogener Transplantation kann es zu Beeinträchtigungen der Fruchtbarkeit kommen. Im Vorfeld gibt es daher die Möglichkeit der Kryokonservierung von Eizellen und Spermien. Sprechen Sie das Transplantationsteam frühzeitig darauf an.

Video zum Thema Knochenmarktransplantation

 

Alternative medikamentöse Therapien
Immunsuppressive Therapie (ACE)

Die immunsuppressive Therapie wird empfohlen bei

  • Patienten mit schwerer oder sehr schwerer AA ab ca. 40 - 50 Jahre oder bei Patienten ohne passenden Geschwisterspender
  • Patienten mit nSAA/MAA mit Gefährdung durch mindestens eine Zellreihe und/oder Transfusionsbedarf

Für die immunsuppressive Therapie gibt es keine Altersbegrenzung.
Die immunsuppressive Therapie besteht aus einer Kombination von Pferde-ATG (A), Ciclosporin (C) und Eltrombopag (E), sowie 4 Wochen lang Kortison, um die Nebenwirkungen von ATG abzufangen.
Bei Versagen oder einem Rückfall kann die Therapie wiederholt werden. Wurde bei der ersten Behandlung Pferde-ATG verwendet, sollte bei der Wiederholungstherapie auf Kaninchen-ATG gewechselt werden.

Eltrombopag-Monotherapie
Bei Patienten ohne Ansprechen auf Standardimmunsuppression, bei denen eine SZT/KMT nicht in Betracht kommt, kann mit Eltrombopag in ca. 40% der Fälle ein Ansprechen erreicht werden.
Eltrombopag soll von Beginn an in einer Dosierung von 150 mg gegeben und kann auf eine Dosierung von bis zu 300 mg pro Tag gesteigert werden. Die Zeit bis zum Ansprechen beträgt 2-6 Monate.

Wachstumsfaktoren
In Einzelfällen kann die Gabe von G-CSF in Kombination mit der Immunsuppression in Erwägung gezogen werden. G-CSF führt zu einem beschleunigten Anstieg der neutrophilen Granulozyten und einer Verminderung der Infektionen und Hospitalisierungsdauer.

Androgen-Therapie
Bei Patienten mit verkürzten Telomeren (ca. 5% der Aplastischen Anämien) kann eine Behandlung mit Adrogenen (z.B. Danazol) in Erwägung gezogen werden. Ein Test auf Telomeropathie sollte zur Diagnostik spätestens bei einem auftretenden Rezidiv gehören. Sprechen Sie Ihre behandelnden Ärzte darauf an, Sie in das deutsche AA/BMF-Register eintragen lassen.  „Register für Aplastische Anämien und "Bone-Marrow-Failure Syndrome"

Video zum Thema ATG-Therapie

QUELLE:
Brümmendorf, T.H., Burmester, P.O. Deeg, H.J., Göbel U., Höchsmann, B., Machherndl-Spandl, S., Panse, J., Passweg, J., Röth, A., Schrezenmeier, H., Schubert, J., Wörmann, B.: „Aplastische Anämie“ (September 2024) ) in den Onkopedia Leitlinien des DGHO unter https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/aplastische-anaemie/@@guideline/html/index.html#litID0EIVAI (Letzter Zugriff: 27.02.2025)