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Unterstützende Therapie
Blut Bei einer PNH ohne relevante Symptome (z.B. ohne Bauch- oder Brustschmerzen) und ohne Notwendigkeit zu Bluttransfusionen (Erythrozytengabe) sowie mit im wesentlichen unauffälligen Laborwerten (also z. B. ohne Hinweis auf eine
Nierenfunktionsstörung) ist meist keine gegen das
Komplementsystem gerichtete Behandlung
(Komplementinhibiton) erforderlich. Geklärt werden muss, ob eine
Thromboseprophylaxe notwendig und geeignet ist. Bei einer gesteigerten Blutregeneration (erkennbar durch erhöhte Retikulozyten) sollte bei Mangel Folsäure zur
Unterstützung verordnet werden.
Bei einer behandlungsbedürftigen PNH, d. h., wenn durch die PNH relevante Symptome wie
Fatigue oder Transfusionsbedürftigkeit verursacht werden, besteht eine Therapie aus folgenden möglichen Maßnahmen:
Allgemeines
Antikoagulation
Nach einer aufgetretenen Thrombose benötigen Patienten längerfristige bzw. lebenslange Therapie zur Hemmung der Blutgerinnung. Bei den meisten Patienten ergibt sich daraus der Bedarf für die Therapie mit einem Komplementinhibitor; darunter kann die Thrombosetherapie evtl. auch beendet werden.
Immunsuppressive Therapie/Kortison
Eine Therapie mit Kortison bzw. Steroiden ist zur
alleinigen Behandlung der PNH nicht geeignet.
Heilung
Die einzige mögliche Therapie, mit der eine PNH geheilt werden kann ist die allogene Stammzelltransplantation. Die Ergebnisse einer Stammzelltransplantation konnten in den letzten Jahren deutlich verbessert werden. Aktuell kommt aber bei Patienten mit PNH eine SZT nur dann in Frage, wenn gleichzeitig eine schwere Aplastische Anämie oder eine andere Erkrankung (bspw. MDS oder eine akute Leukämie) vorliegt. Der Grund ist, dass eine allogene Stammzelltransplantation im Vergleich zu den zur Verfügung stehenden Komplementinhibitoren noch mit mehr Komplikationen verbunden.
Medikamentöse Therapie
Der alleinige Nachweis eines PNH-Klons ergibt noch keine Indikation zur
Einleitung einer Behandlung mit einem
Komplementinhibitor. Entscheidend für den Beginn einer solchen Therapie ist eine stattfindende Hämolyse, die
sich typischerweise durch dunklen Urin, Bauchkrämpfe und
Fatigue sowie in Blutwerten mit niedrigem
Hämoglobinwert und erhöhtem
LDH-Wert zeigt.
1. Inhibition der terminalen Komplement-Kaskase
C5-Inhibition durch Eculizumab, Ravulizumab und Crovalimab
Eine Behandlungsmöglichkeit ist die Hemmung des terminalen Komplementsystems. Die
Antikörper Eculizumab bzw. Ravulizumab und Crovalimab binden den Komplementfaktor C5 und blockieren somit die weitere Aktivierung des
Komplementsystems. Eculizumab und Ravulizumab werden jeweils als Infusion verabreicht.
Crovalimab ist ein C5-Antikörper,
der bei einem deutlich niedrigeren Spiegel im Körper ausreichend wirksam ist und einmalig als Infusion und dann als Spritze unter die Haut verabreicht wird.
Indikationen:
Eculizumab (Zulassung 2007) ist ein Medikament zur Behandlung von Patienten mit symptomatischer PNH.
Ravulizumab (Zulassung 2019) ist ein Medikament mit vergleichbarer Wirkungsweise wie Eculizumab. Es ist für Patienten mit symptomatische PNH zugelassen und die eine Eculizumab-Therapie über 6 Monate gut vertragen haben und darunter stabil waren.
Crovalimab (Zulassung 2024) wird bei Patienten mit symptomatischer PNH, und bei Patienten, die klinisch stabil sind, nachdem sie für mindestens sechs Monate mit einem anderen C5-Komplement-Inhibitor behandelt wurden, eingesetzt.
Unter Therapie mit Eculizumab/Ravulizumab/Crovalimab sollten regelmäßige Kontrollen des Blutbildes, Retikulozyten, Hämolysekennzeichen (insbesondere LDH und Bilirubin), Eisenparameter (insbesondere Ferritin), PNH-Klongröße, Folsäure, Vitamin B12 und die Überprüfung auf Vorliegen einer möglichen extravasalen Hämolyse erfolgen. |
Extravasale Hämolyse unter C5-Inhibitoren
Eculizumab, Ravulizumab und Crovalimab können nur die intravasale Hämolyse der PNH
beeinflussen. Die extravasale Hämolyse entsteht bei manchen
Patienten in klinisch relevantem Ausmaß erst unter Therapie mit C5-Inhibitoren und bleibt darunter unbeeinflusst. Extravasale Hämolyse (EVH) kann bei einem Teil von Patienten auftreten und eine
Umstellung (oder Hinzunahme) auf einen (eines) proxymalen
Komplementinhibitors erforderlich machen. Ob ein C5-Inhibitor ausreicht, erkennt man am Transfusionsbedarfs, dem LDH-, dem Hämoglobin-Wertes sowie der absoluten Retikulozytenzahl (junge rote
Blutkörperchen). Bei weiter bestehender, klinisch relevanter Anämie oder einer Verschlechterung sollte ggf. die Knochenmarkfunktion überprüft werden.
Eine andere Ursache für Anämie können auch
Durchbruchhämolysen sein.
Risiken der C5-Inhibition
Video zum Thema PNH & Soliris
2. Inhibition der proxymalen Komplement-Kaskade
A. Faktor-D-Inhibition
Danicopan (Zulassung 2024) ist ein Medikament, das Faktor D in der Komplement-Kaskade hemmt.
Danicopan wird zusätzlich (add-on) zu Eculizumab oder Ravulizumab als Tablette eingenommen. Es wird eingesetzt bei Patienten, die trotz C5-Inhibitor weiterhin niedrige
Hämoglobinwerte und hohe Retikulozyten haben. Es verbessert die
Hämoblobinwerte und reduziert die Transfusionsbedürftigkeit und die Ausprägung der
Fatigue. Da der Körper Faktor D schnell abgebaut wird, muss Danicopan dreimal täglich eingenommen werden.
B. Faktor-B-Inhibition
Iptacopan (Zulassung 2024) ist ein Medikament, das Faktor B in der Komplement-Kaskade hemmt (proxymal). Es wird als 200 mg Kapsel zweimal täglich eingenommen. In den Studien zeigte sich eine deutliche
Verbesserung der
Hämoglobinwerte sowie ein Abfall der Retikulozyten. Auch die Hämolyse wird kontrolliert und die
Fatigue-Werte verbesserten sich. Iptacopan ist für alle Patienten mit PNH zugelassen.
C. Faktor C3-Inhibition
Pegcetacoplan (Zulassung Dezember 2021) hemmt die Aktivierung der Komplementfaktoren C3 und C3b (proxymal).
In Studien konnte bei Patienten mit fortbestehender
Anämie (Hämoglobin
< 10,5 g/dl) unter Therapie mit Eculizumab und einer hohen Retikulozytenzahl die Überlegenheit von
Pegcetacoplan im Vergleich zu Eculizumab in der Verbesserung der Anämie, der Transfusionsfreiheit und auch der Lebensqualität der Patienten gezeigt werden. Pegcetacoplan ist zugelassen für alle
Patienten mit PNH.
Risiken von Proxymaler Komplementinhibition
Unter alleiniger proxymaler Komplementinhibition (Pegcetacoplan und Iptacopan kann es u. a. durch die Zunahme des PNH-Klons der Erythrozyten zu deutlich kräftigeren Durchbruchhämolysen kommen. In einem solchen Fall sollten Patienten sich notfallmäßig ärztlich vorstellen. Nutzen Sie dafür den Patienten-Pass der Stiftung lichterzellen. |
Besondere Situationen
Impfungen
Die Impf-Schemata für die einzelnen Medikamente finden Sie in den Leitlinien unter Punkt 6.2.3.6.
Unter jeglicher Komplement-Inhibition wird empfohlen, eine sogenannte stand-by Medikation bei sich zu tragen (pill in the pocket; dafür können Sie einen Schlüsselbundanhänger bei uns bestellen), um im Falle eines plötzlichen Auftretens von Fieber und Unwohlsein eine erste Antibiotikagabe zu sich nehmen zu können. Dafür eignet sich Amoxycillin/Clavulansäure 1.000/250 mg. Im Falle einer Allergie gegenüber Aminopenicillinen kann auch auf Ciprofloxacin 750 mg ausgewichen werden. |
Schwangerschaft
Schwangerschaften bei Patientinnen mit PNH stellen in jedem Fall eine Hochrisiko-Schwangerschaft dar. Bei Kinderwunsch von PNH-Pat. sollte unter Abwägung aller Risiken und Komplikationen individuell eine Therapie mit Eculizumab erwogen werden, da es dazu bereits positive Erfahrung gibt. Ggf. muss bei Durchbruchhämolysen eine Dosisanpassung erfolgen (bis zu 900 mg wöchentlich). Von der Behandlung mit Ravulizumab sowie allen weiteren neu zugelassenen Komplementinhibitoren in der Schwangerschaft wird abgeraten, da dazu im Gegensatz zu Eculizumab bislang keine ausreichenden Daten vorliegen.
Besonderheiten bei medizinischen Eingriffen Eingriffe, wie Operationen, zahnärztliche Interventionen und Impfungen sollten möglichst nach einer Gabe des Komplement-Inhibitors durchgeführt werden. Bei längerer Immobilität (z. B. im Rahmen von Operationen) sollte die Therapie mit einem Komplementinhibitor erwogen werden, um das erhöhte Thromboserisiko trotz ausreichender Blutverdünnung zu verhindern. |
Was Sie bei PNH/AA noch bei einer bevorstehenden Operation beachten sollten, finden Sie hier.
AA/-PNH-Board der DGHO
Aufgrund der Seltenheit der Erkrankungen AA und PNH bietet der Arbeitskreis „Klassische Hämatologie“ der DGHO Beratung im Rahmen der vierwöchentlich stattfindenden Onlinekonferenz für Pat. mit AA oder PNH an, die von PD Dr. med. Fabian Beier geleitet wird (Teams-basierte Online-Konferenz). Bei Interesse Kontaktaufnahme mit: Frau Joelle Schifflers, jschifflers(at)ukaachen.de
QUELLE:
Schubert, J./Bettelheim, P./Brümmendorf, T.H./Burmester, P./ Göbel, U/.Höchsmann ,B./ Panse, J./Röth, A./ Schrezenmeier, H./Stüssi, G.: „Paroxysmale nächtliche
Hämoglobinurie (PNH)“ (2024) in den Onkopedia Leitlinien des DGHO unter https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/paroxysmale-naechtliche-haemoglobinurie-pnh/@@guideline/html/index.html
(Letzter Zugriff: 28.02.2025)