Therapie und Behandlungsmöglichkeiten der Aplastischen Anämie nach den Leitlinien der DGHO

Die Wahl der Behandlung ist abhängig von der Schwere der Erkrankung, dem Alter des Patienten und ob ein verwandter Spender zur Verfügung steht. Studien belegen, dass für die Knochenmarktransplantation der Zeitraum zwischen Diagnose und Therapie einen  Einfluss auf die Prognose hat.

 

Eine Therapie muss immer nur dann durchgeführt werden, wenn eine Gefährdung durch die Erkrankung gegeben ist:

 

  • Immer bei dem Zustand einer schweren und einer sehr schweren Aplastischen Anämie (SAA/sSAA) nach Definition
  • Bei einer nSAA (nicht schwerer oder moderater Aplastischen Anämie) mit einer schweren Verminderung einer Zellreihe, durch die der Patient regelmäßig auf Bluttransfusionen angewiesen ist, oder die zu einer Gefährdung durch Infekte oder Blutungen führt
  • In anderen Einzelfällen unter Berücksichtigung des Krankheitsverlaufs
  • Veränderung einer nSAA in einer SAA

 

Unterstützende Therapie

Durch die besseren Möglichkeiten, Komplikationen zu verhindern, hat sich die Überlebenswahrscheinlichkeit in den letzten Jahrzehnten auch ohne immunsuppressive Therapie immer weiter verbessert. Die unterstützende Therapie besteht bei Bedarf aus Infektionsprophylaxe, und -therapie, Blutungsprophylaxe, restriktiver Transfusionsstrategie, sowie der Chelattherapie bei Eisenüberladung.

 

Eltrombopag

Bei schwerer Aplastischer Anämie (insbesondere bei Patienten, bei denen eine Transplantation keine Option ist) kommt eine Therapie mit Eltrombopag in Frage. Eltrombopag ist ein Wirkstoff, der oral eingenommen wird und die Blutproduktion, durch die Stimulation der Blutstammzelle, anregt.

Bei einer moderaten Aplastische Anämie wird das Medikament z.Zt. in einer Studie in Kombination mit Ciclosporin erprobt.

 

Stammzell- bzw. Knochenmarktransplantation von einem vorhandenen HLA-identischen Geschwisterspender

Eine Stammzell- bzw. Knochenmarktransplantation von einem HLA-identischen Geschwisterspender ist bei Patienten mit SAA unter 40 Jahren als Ersttherapie angezeigt bei vSAA evtl. auch noch bei Patienten bis 50 Jahre abhängig vom Gesamtbild der Erkrankung und vom Allgemeinzustand des Patienten.

Als Zweittherapie kommt sie bei Patienten mit SAA nach Versagen mindestens einer immunsuppressiven Kombinationstherapie (z.B. ATG und Ciclosporin) in Frage.

Die Konditionierung, d.h. die Vorbereitung auf die Transplantation mit einem passenden Geschwisterspender besteht aus der Behandlung mit Cyclophosphamid und ATG ohne Ganzkörperbestrahlung (bei Patienten unter 30 Jahren), bzw. niedrigdosiertes Cyclophosphamid, Fludarabin und ATG oder Alemtuzumab (bei Patienten über 30 Jahren).

Die GvHD-Prophylaxe besteht aus Ciclosporin und Methotrexat.

 

Stammzell- bzw. Knochenmarktransplanation von einem unverwandten Spender

Eine Stammzell- bzw. Knochenmarktransplantation von einem unverwandten Spender ist als Ersttherapie umstritten. Die Bedrohung der Krankheit wird abgewogen mit der Bedrohung durch Therapiekomplikationen.

Bei jungen Patienten werden gute Ergebnisse mit einer reduzierten Konditionierung bei einem passenden Spender (10/10 Match) oder unpassendem Spender (9/10 Match) erzielt.

Als Zweittherapie kommt die Transplantation nach Versagen mindestens einer immunsuppressiven Therapie mit Pferde-ATG und Ciclosporin bei Patienten ohne passenden Geschwisterspender in Frage, die unter 40 Jahren sind, bzw. evtl. auch bei Patienten über 40 Jahre, wenn der Allgemeinzustand gut ist.

Bei unverwandter Transplantation wird die Vorbereitung im Vergleich zur Transplantation mit einem Geschwisterspender leicht reduziert, allerdings wird heute wieder wegen einer hohen Abstoßungsrate mit 2 Gy eine Ganzkörperbestrahlung durchgeführt.

Die GvHD-Prophylaxe besteht ebenfalls aus Ciclosporin und Methotrexat.

Video zum Thema Knochenmarktransplantation


Als Stammzellquelle ist unabhängig von der Spenderart und –passung Knochenmark vorzuziehen, da die Transplantation mit Stammzellen mit einem häufigeren Auftreten von akuten und chronischen GvHD verbunden ist.

 

Jedes Transplantationszentrum hat eigene den Erfahrungen entsprechende Konditionierungsschemata, die von diesen Empfehlungen abweichen können.

Immunsuppressive Therapie (IST)

 

Eine immunsuppressive Therapie ist bei Patienten mit (sehr) schwerer Aplastische Anämie, die über 40 bzw. 50 Jahre alt sind oder die über keinen passenden Geschwisterspender verfügen, angezeigt. Auch bei Patienten mit nicht schwerer Aplastische Anämie kann eine immunsuppressive Therapie empfohlen werden, wenn eine der Zellreihen sehr stark erniedrigt ist. Es gibt dabei keine Altersbegrenzung.

 

Die Triple-Therapie wird mit ATG, Ciclosporin und Cortison durchgeführt. In Studien wurden die zwei früher verfügbaren Medikamente, ein Pferde-ATG-Präparat und ein Kaninchen-ATG-Präparat) in ihrer Wirksamkeit verglichen. Dabei wurde deutlich, dass sowohl die Ansprechrate als auch das Gesamtüberleben mit dem Pferde-ATG deutlich besser ist als mit dem Kaninchen-Präparat.

Video zum Thema ATG-Therapie


Wegen der seltenen Verwendung des Pferde-Präparates wurde dieses jedoch vom Hersteller 2007 vom Markt genommen. Das Präparat vom Pferd wird dennoch weiter präferiert und kann von Kliniken aus dem Ausland bezogen werden.

 

Eine Wiederholung der Triple-Therapie ist möglich. Dabei sollte das ATG-Präparat jedoch ein anderes sein, als bei der ersten Therapie. Bei Kindern wird statt einer Wiederholung der IST jedoch die KMT bevorzugt empfohlen.

 

Zweittherapie

 

Bei Versagen der ersten Therapie kommen folgende Therapien in Frage:

  • Stammzell- bzw. Knochenmarktransplantation von einem passenden Geschwisterspender
  • Stammzell- bzw. Knochenmarktransplantation von einem unverwandten Spender
  • Wiederholung der IST (mit Wechsel des ATG-Präparates)
  • Alternative Immunsuppression mit Alemtuzumab oder Cyclophosphamid
  • Androgentherapie (z.B. Danazol) bei Patienten mit verkürzten Telomeren. Ein Test auf Telomeropathie sollte zur Diagnostik spätestens bei einem auftretendem Rezidiv gehören. Sie können sich dazu in das deutsche Register für Telomeropathien und aplastische Syndrome eintragen lassen.

Weitere Therapieoptionen finden Sie in der Rubrik Laufende Studien. Im Rahmen von Studien werden Therapieverfahren und Medikamente überprüft, die noch nicht in die Leitlinien aufgenommen worden sind, weil man auf endgültige Ergebnisse wartet.

 

 

QUELLE:

Schrezenmeier, H./ Brümmendorf, T.H./ Linkesch,

W./Schubert, J./Röth, A./Höchsmann, B./ Deeg, H.J.: „Aplastische Anämie - Diagnostik und Therapie der erworbenen Aplastischen Anämie“ (2012) ) in den Onkopedia Leitlinien des

DGHO unter https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/aplastische-anaemie/@@guideline/html/index.html

(Letzter Zugriff: 12.12.2019)